Donnerstag, 10. Mai 2012

Das ökologische Feigenblatt

Das Feigenblatt wird von Journalisten und Bloggern gerne als Metapher verwendet. Eine einfache Google-Suche mit dem Stichwort "Ökologisches Feigenblatt" liefert über 27.000 Ergebnisse. Doch ist dieses so gebräuchliche Bild des seine Scham bedeckendenUmweltsünders eigentlich in Sich stimmig?

Dazu betrachten wir zunächst die Geschichte hinter dem Symbol des Feigenblattes und schauen uns dann an, aus welcher Weltsicht heraus sich ein Leser solcher Feigenblatt-lastigen Artikel heraus der Symbolik nähert.

Die Scham ist die Öko-Sünde und das Feigenblatt ist in der Regel ein Lippenbekenntnis zu grün angehauchtem Verhalten. So kann sich aktuell Mazda mit dem Feigenbaltt des im angel-sächischen Raum bekannten Hüter des Waldes - dem Lorax - schmücken


Hübscher Spot. Wie schützt Autofahren eigentlich nochmal Bäume?

Wikipedia beschreibt die gebräuchliche Bedeutung der Metapher sehr eingänglich. Ich empfehle, den Link kurz zu öffnen und den Artikel zu überfliegen.

Wir bedecken mit dem Feigenblatt unsere Scham. So sagt es das Bild. Doch das Bild ist schief und hinkt dabei auch noch als Vergleich. Oder so.

Die Feigenblatt-Metapher bedient sich christlicher Symbolik. Adam und Eva aßen vom Baum der Erkenntis und wurden sich ihrer Nacktheit bewusst und schämten sich dafür. Was bedeute das eigentlich? Adam und Eva waren im Paradies unter Gottes Anleitung, wollten sich aber davon frei machen und entschlossen sich, selbst zu denken. Die erste Sünde, die die Menschheit ins Verderben führte, so die Geschichte.

Egal wie man es dreht und wendet, als religiöser Mensch oder als Atheist, mit dem Vergleich zu umweltverschmutzenden Großunternehmen kann man kaum glücklich sein.

In jedem Falle werden die Unternehmen in der Feigenblatt-Analogie durch Adam und Eva repräsentiert.

Als Atheist würde man das ganze so deuten können: Adam und Eva sind zwei schlaue Unternehmer, die bewusst und eigenständig entscheiden wollten. Mit der ersten freien Entscheidung lernten sie aber auch, ihren Verstand zu benutzen und erkannten sehr bald, dass sie nackt waren, bzw. der Umwelt mit ihrem Unternehmertum schadeten. Nun kann man als Unternehmer das schädliche Verhalten (die Scham) ändern, oder es verbergen. Letzters rechtfertigt die Verwendung des Feigenblattes. Ersteres wäre, folgte man der Metapher, eine Kastration, eine Entmannung. Und welches Unternehmen lässt sich schon gerne entmannen, wurde es doch gerade zum eigenständig Handelnden.

Ein vernünftiger Unternehmer benutzt also immer das Feigenblatt, wenn er denn Atheist ist. Und schadet damit wissentlich und ganz männlich-logisch der Umwelt. Ihm das zum Vorwurf zu machen, wirkt aus Unternehmersicht lächerlich. Soll er sich etwa kastrieren lassen?

Als gläubiger Christ ist man nach dem Essen der Frucht ein Sünder. Man hat sich gegen ein höheres Wesen gestellt und der Natur geschadet, in dem man sich als Unternehmer angemaßt hat, selbst zu entscheiden, was richtig und was falsch ist. Man versündigt sich gegen seinen Herrn und damit auch gegen die Natur. Man fügt ihr bewusst schaden zu, und als christlicher Unternehmer gibt es nun nichts logischeres, als diese Sünde hinter einem Feigenblatt zu verstecken, nicht wahr? Folgt man der Metapher konsequent, ist sich ein Unternehmen, was sich gegen Gott und die Natur versündigt hat, nun dessen gewahr und versteckt sich, da es falsch gehandelt hat. Im nächsten Schritt müsste das Unternehmen allerdings wie Adam und Eva auch erkennen, dass nun der beschwerliche Weg beginnt, sich Gott gegenüber demütig zu verhalten, um wieder in seine Gunst und somit zurück ins Paradies zu gelangen. Wenn also ein christlicher Unternehmer das Feigenblatt zr Hilfe nimmt, um seine Sünde zu verstecken, dann ist das doch nur eine Übergangslösung, um bis zum Erreichen des ursprünglichen, jungfräulichen paradiesieschen Zustandes nicht ganz so nackt da zu stehen.

Das Bemühen der Unternehmer, sich wieder mit der Natur gutzustellen, dass ist allerdings nicht mal erahnbar für denjenigen, der ihr Feigenblatt erstmal entdeckt hat. Ob es ein Unternehmen gibt, das sich im Bild des christlichen Betrachters analog zu Adam und Eva verhält, ist also mehr als fraglich.

Die Scham, also die Nacktheit als solche, über die haben wir dabei noch gar nicht gesprochen. Bewegen wir uns ein wenig aus der Metapher hinaus, stellt sich doch die Frage, ob die christliche Symbolik überhaupt geeignet ist, das Verhalten von Konzernen abzubilden, die sich durch winzige Pseudo-Bemühungen den Anschein des umweltbewussten Akteurs verleihen wollen. Die Scham, die Nacktheit von Adam und Eva, ist doch nur innerhalb der monotheistischen Mythologie überhaupt relevant. Wer sich gedanklich und weltanschaulich außerhalb dieser Sphären bewegt, wird sich sofort fragen, was denn an dem Symbol der Nackten verwerflich sein soll. Ein die Umwelt schädigendes Unternehmen ist in diesem gedanklichen Setting nichts verwerfliches, sondern ein natürlicher Zustand. Die FDP kann frohlockend nackig durch den Wald tanzen, wenn dem so ist.

Je nachdem also, wie man sich der Symbolik durch seine persönliche Weltanschauungs-Brille nähert, ergibt sie eine etwas andere Konsequenz. Entweder ist man christlich-abendländisch geprägt und trotdem Atheist. Dann ist ein Feigenblatt zum Verstecken von Umweltsünden nur konsequent, da die Alternative das Aufgeben der unternehmerischen Freiheit ist. Oder man ist ein überzeugter Christ. Als solcher muss man den Unternehmen unterstellen, dass sie auf dem richtigen Weg zurück ins Paradies sind, wenn sie erstmal ein Feigenblatt tragen. Wenn man die Welt durch die Augen eines Menschen sieht, der Nacktheit nichts als Scham sondern als natürlichen Zustand betrachtet, dann gibt es in der Feigenblatt-Metapher keine Umweltsünde, und ein Unternehmen, dass der Umwelt schadet, tut nichts böses, sondern macht sich nur lächerlich, weil es ein unnützes Feigenblatt umhat.

Einfache Platitüden und gemeine Flosskeln sollten anspruchsvollen Journalisten ohnehin ein Gräuel sein. Aber wenn die Metapher in sich so unschlüssig ist, warum wird sie dann so oft verwendet?

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